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Textproben

Textproben aus dem Hermagor-Buch und aus der Broschüre „Die zerbrochene Puppe“

Der Wurstdiebstahl

Opa: Das war eigentlich so. Da war der Picker-Schuster noch Geselle beim Schustermeister Leitl auf der Stocksteinerwand. Da bemerken sie eines Tages, dass der  Herr Holler in die Holzlage ging. In der Holzlage hatte Herr Holler eine Kammer, in der er geselchte Würste, Geselchtes und Speck aufbewahrte. Er holte sich etwas und kehrte ins Haus zurück. Die beiden Männer, der Picker und der Leitl-Schuster, beobachteten, dass der Holler vergessen hatte, die Türe zur Holzlage abzuschließen. Das war dem Herrn Holler entfallen, obwohl er sonst ein pedantisch genauer Mensch war.

Das war eine nie wiederkehrende Gelegenheit, dachten sich die zwei Männer und räumten den Speck und alle Würste samt den Stangen in das Haus Leitl. Frau Kathi Holler sah die „Lumperei„ und war sofort bereit mitzuspielen.

Nach einiger Zeit dürfte es dem Herrn Holler eingefallen sein, dass er die Türe zu seiner Holzlage nicht verschlossen hatte, denn er eilte zur Tür und sah, dass die Kammer leer war. Zutiefst erschrocken überlegte er, was jetzt zu tun wäre. Der Gendarmerieposten war ganz in der Nähe im Hause Frenzl untergebracht. Dorthin begab sich Herr Holler im Laufschritt. Da er sehr klein von Gestalt war und einen zappelnden Gang hatte, schaute das recht lustig aus.

Auf dem Gendarmerieposten war Herr Kletus Theuermann Postenkommandant. Herr Holler berichtete auf dem Posten von seiner Wahrnehmung, dass jemand seine Würste und den Speck gestohlen hatte. In der Zwischenzeit trugen Herr Pickl und Herr Leitl die Stangen mit Selchwürsten und Speckstücken zurück in die Kammer.

Eine Viertelstunde später kommt der Herr Holler mit dem Postenkommandanten zum Ort des Geschehens, um den Sachverhalt an Ort und Stelle protokollarisch festzuhalten. Herr Holler ging mit dem Postenkommandanten in die Kammer und siehe – alles war vorhanden. Nichts schien zu fehlen. Herr Holler zählte Würste und Speckstücke ab und er musste eingestehen, dass nichts fehlte.

„Fehlt etwas?„ fragte Herr Kletus Theuermann. „Nein, es stimmt alles genau“, musste Herr Holler kleinlaut zugeben. „Ja, was soll denn das bedeuten? Haben Sie fantasiert?“ wendete sich der Gendarmeriebeamte an Herrn Holler. Frau Holler hatte inzwischen verstohlen dem Postenkommandanten zugezwinkert und dieser hatte sofort verstanden, dass es sich um einen lustigen Streich handelt. „Nein, nein“, beteuerte Herr Holler, „vorhin war alles leer! Jetzt ist alles wieder da. Ich verstehe das nicht.“

Der Postenkommandant spielte die Komödie mit. Ganz amtlich zog er ein Buch aus der Tasche und sagte: „Über diesen Vorfall muß ich ein Protokoll aufnehmen, und zwar wegen Irreführung der Behörde.“ Herr Holler war ganz verlegen. Da legte sich Frau Kathi ins Zeug und bat Herrn Kletus Theuermann, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Ihr Mann sei doch Hilfsämterdirektor bei der Bezirkshauptmannschaft, und das wäre  für ihn eine fürchterliche Blamage.

Daraufhin steckte der Herr Postenkommandant das Büchlein zurück in die Tasche, und alle atmeten erleichtert auf.

(Ausschnitt aus dem Manuskript zum Buch „Erinnertes und Erlebtes aus der Wulfeniastadt Hermagor“)

Kommentar zu den „Holler-Geschichten“:

Die Autorin recherchierte so gewissenhaft wie nur möglich, um nicht etwa Geschichten preiszugeben, die genannten Personen oder deren Nachkommen unangenehm sein könnten. Im Zuge der Recherchen nach Nachfahren des legendären Herrn Holler stellte sich heraus, dass eine Tochter in Tirol lebt.  Diese erklärte lächelnd, dass es keinen Einwand gebe, denn ihr Herr Vater sei ja für seine Eigenarten allgemeinbekannt gewesen. So kommt es, dass diese Episoden von Herrn Holler veröffentlicht werden durften.


Die Broschüre „Die zerbrochene Puppe“ erschien 2010 in noch weit geringerer Auflage als das Hermagor-Buch und ist nur einem privaten Leserkreis zugedacht.

Soldatengeschichten, erzählt von meinem Vater Johann Kandolf

Der Rekrut

Im Frühjahr des Jahres 1914 wurde ich als 18jähriger zum Militär eingezogen. Es war im Frühsommer, und unsere Einheit wurde nach der Grundausbildung ins oststeirische Dorf Waltersdorf (heute Bad Waltersdorf) verlegt. Dort wurde von uns im ländlichen Raum in Form von Manövern das Gelernte zur Anwendung gebracht. Eines Tages war hoher Besuch angesagt. Unsere Kompanie musste zum Appell antreten, und die hohen Offiziere schritten die Reihen ab. Jeder von uns Rekruten musste seinen Namen, die Herkunft und den Beruf angeben.

Wir hatten in unsere Reihen einen urigen Steirer, der immer wieder durch sein ungeschicktes Verhalten auffiel. Als nun der Kommandant ihn nach seinen Namen fragte und nach seinem Beruf, kam die Antwort: „Zu Befehl! Ich heiße Josef Brantl, und bin Holzzerkleinerungsfaktoreninstruktor.“ Der Offizier wollte sich keine  Blöße geben und tat, als ob er diesen Beruf kenne. Nach der Inspektion fragte er aber ganz nebenbei den Dienst habenden Unteroffizier: „Was meint er mit diesem Beruf?“ „Das heißt schlicht und einfach, dass er Holzknecht ist“, erwiderte der Unteroffizier. „Das habe ich mir gleich gedacht!“ rief der Unteroffizier erleichtert aus und setzte seine Inspektion fort.